#Jugendlivetalk: Internet-Talk-Show aus unseren Kleinbasler Jugendzentren

Mit Jugendlichen zusammen Themen aufbereiten, die sie interessieren, gemeinsam eine Talk-Sendung produzieren, die dann auf Instagram live veröffentlich wird, von anderen Jugendlichen stark beachtet: dieses Format wurde im Winter 2020 in unserem jüngsten Jugendzentrum Chillout (seit August 2020) erfunden – und es hat eingeschlagen…

Von Christian Platz, Präsident JuAr Basel

Jene unregulierte digitale Zone

Die digitale Welt, bewegte Bilder, Fotos, Ton, Text, Spiele, ein Medienlabyrinth, das in jeder Hosentasche Platz findet, ein Handy, ein Tablet, ein Laptop öffnen den Zugang zu einem unendlichen Datenkosmos, unreguliert, unmoderiert, beinahe unkontrollierbar. Die höchsten Kulturleistungen der Menschheit sind im Internet selbstverständlich verfügbar, aber auch der grösste Medienmüll, der je produziert wurde – und alles dazwischen. Der Jugendschutz, der in der realen Welt durchgesetzt wird, erlischt heute in einer digitalen Zone, die wir einfach so haben wachsen und wuchern lassen, ohne sie mit jenen Regulativen zu versehen, welche eigentlich die Basis unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens bilden. Eine Welt in der Welt ist da entstanden, jedem Kind zugänglich, das ein Handy bedienen kann, eine mediale Spiegelwelt, die sich auf eine Art und Weise in unsere Realität einzumischen beginnt, wie wir das vorher noch nie erlebt haben. Im Grunde ist der Umgang mit diesem Phänomen – vor allem seit sich das Smartphone als Hauptobjekt unseres Alltags etabliert hat, also seit etwas mehr als zehn Jahren – eine der grössten Herausforderungen unserer Zeit.

Auf jeden Fall stellt die digitale Welt unsere Jugendarbeit vor grosse Aufgaben. Gerade während der beiden Lockdowns haben Mitarbeitende von JuAr Basel in diesem Bereich viele innovative Projekte und Arbeitsmethoden entwickelt oder gefunden, einige davon haben wir in unseren Newslettern und Jahresberichten bereits beschrieben, der #Jugendlivetalk ist ein weiteres wunderbares Beispiel für Jugendarbeit mit digitalen Medien.

Pilot zum Thema Sexualität

Wie können wir trotz Lockdown Inhalte und Themen mit den Jugendlichen zusammen aufbereiten? Diese Frage hat Claudia Gunzenhauser, Leiterin des Chillout, mit einer guten Freundin diskutiert, der Sexualpädagogin Nadia Kohler. Hintergrund war der Umstand, dass Gesprächsangebote oder Quiz-Spiele für die Jugendlichen per Zoom und Social Media in ersten Versuchen nicht besonders erfolgreich waren. Dabei ist ihnen die Idee gekommen, zusammen mit kleinen Teams von Jugendlichen regelmässig eine Talk Show zu produzieren und auf dem Internet zu veröffentlichen. Claudia besprach die Idee mit ihrem Team. Endrit Sadiku, der sich ohnehin stark für Jugendarbeit in der digitalen Zone interessiert, und Praktikantin Kaja Werst waren sofort begeistert, auch die Leute vom Team des benachbarten und organisatorisch verbandelten Jugendzentrums Dreirosen waren alsbald mit an Bord. Als Basis für die Filme wählten sie die App Instagram-TV aus. Die Pilotsendung war dann ein Interview mit Nadia Kohler rund um das Thema Sexualität, das klappte gut. Also wurden weitere Gäste ins Visier genommen.

Plötzlich stand das Schweizer Fernsehen vor der Tür

«Wir haben Regierungsrat Lukas Engelberger eingeladen, um mit ihm über Corona-Massnahmen in der Jugendarbeit zu diskutieren», erzählt Claudia, «wir haben uns gefragt, ob er wirklich kommen würde, dann war er tatsächlich da – und wir waren begeistert. So produzierten und veröffentlichten wir weitere Ausgaben, die Jugendlichen haben sich die Talks angeschaut, haben kommentiert, diskutiert…» Und plötzlich, beim Auftritt von Lukas Engelberger, stand das Schweizer Fernsehen vor der Tür. Die Sendung Schweiz Aktuell brachte einen längeren Bericht über das Projekt, eine weitere Ermutigung. Inzwischen wurden bereits ganze 16 Ausgaben des #Jugendlivetalk gemacht. Natürlich war Musik dabei ein Thema, waren Rapper*innen zu Gast, auf der anderen Seite stellte sich die Jugend-Präventionspolizei den Fragen der jungen Redaktion, die Drogenberatung, psychische Gesundheit und Gender wurden beleuchtet, die Jugendberatung von JuAr Basel stellte sich vor – also ein schöner weiter Themenhorizont.

Vor geschlossenen Augen

Nun ist erst mal Sommerpause, Mitte August geht es weiter. Die Frage ist nun, auf welcher Plattform die Filme künftig verankert sein sollen – die Entscheidung ist noch nicht gefallen. Instagram TV ist zwar eine taugliche App, die Jugendlichen senden permanent live damit, doch hat sie technische Limiten, über youtube wird nun diskutiert. Wir sind gespannt. Das Konzept bleibt auf jeden Fall bestehen, ein kleines Team von zwei oder drei Jugendlichen bereitet die Sendung mit einem Teammitglied zusammen vor, dann wird gedreht. Claudia: «Wir haben hier im unteren Kleinbasel glücklicherweise immer Jugendliche, die gerne mitmachen und wirklich interessiert sind.» Doch auf der anderen Seite sei die Sache mit dem Dauerkonsum all der – teilweise praktisch sinnfreien – Filmchen, die auf dem Handy laufen, wie die Jugendlichen ihn zurzeit betreiben, halt schon auch beängstigend. Claudia: «Die schauen sich reihenweise und unendlich diese ganz kurzen Filme auf der TikTok-App an, solange bis sie einschlafen». Die Teamleute haben die Jugendlichen schon gefragt, ob sie die Filme vor dem Einschlafen, mit geschlossenen Augen weiter sehen würden. Die Antwort war: Ja. Was das wohl für die Entwicklung dieser jungen Menschen bedeutet?

Domizil weiterhin dringend gesucht

Leider folgt auf diese nette Geschichte aus dem Jugendzentrum Chillout eine eher unerfreuliche Nachricht. Das Angebot muss Ende Juni aus seinem Domizil ausziehen, eine neue Bleibe in Kleinhüningen wird weiterhin dringend gesucht. Nach den Sommerferien wird das Chillout an einigen Wochentagen im Quartierzentrum Klÿck zu Gast sein, aber das ist dann halt auch nur ein weiteres Provisorium…