Offene Jugendarbeit in den Sturmfluten der Pandemie

Es war von Anfang an alles andere als einfach, während der Pandemie – und speziell während den beiden Lockdowns – weiterhin Beziehungsarbeit zu leisten, obwohl gerade diese von unserer jungen Klientel dringend gebraucht wurde und wird. Projekte und Jugendkulturarbeit mussten entweder zurückgestellt oder in den digitalen Raum verlagert werden. Dabei kam viel Innovatives zustande, darunter auch durchaus zukunftsweisende Elemente. Doch es wurde auch klar, dass Begegnungen auf dem Internet reale Begegnungen, gerade in heiklen Situationen, niemals ersetzen können.

Von Christian Platz

Worte schaffen Realitäten, vor allem dann, wenn es man es mit Ämtern zu tun hat. Dieser Umstand gilt seit Menschengedenken und hat ja durchaus seine Berechtigung. Wenn aber Worte im Schwang sind, die gesellschaftliche Realitäten nur noch unscharf abbilden, werden sie zu bürokratischen Verhinderungsformeln. Was die Arbeit der JuAr Basel anbelangt, waren es vor allem zwei überkommene Formeln, die uns ausgebremst haben. Einerseits eben die unverständliche Benennung unserer Angebote als Freizeitangebote, die Verweigerung, uns zuzugestehen, dass wir soziale Arbeit leisten. Zweitens eine nahezu absurde – streng abgrenzende – Unterscheidung zwischen Jugendarbeit und Jugendkulturarbeit, obwohl die offenkundige Realität jene ist, dass hier die Grenzen besonders fliessend sind.

Beziehungsarbeit bei Kälte und Schnee

Unser Jugendhaus Lava in Birsfelden hatte bei JuAr Basel in letzter Zeit einen Sonderstatus – weil es auf Baselbieter Boden liegt. Der Kanton Baselland akzeptiert nämlich die Realität, dass Offene Jugendarbeit soziale Angebote schafft. Also konnte das Haus während dem zweiten Lockdown, der ja während der kalten Winterzeit stattgefunden hat, offenbleiben, bei – rigoros umgesetzten – Schutzmassnahmen und Personenbeschränkung natürlich. Dadurch war es dem Team dort etwa möglich, Jugendliche mit besonders schweren Problemen im warmen Haus zu empfangen. Und schwere Probleme sind, gerade während dem zweiten Lockdown, häufig aufgetreten. Zudem konnte man Jugendlichen, die in beengten Wohnverhältnissen oder unstabilen Familienverhältnissen leben, bei den Hausaufgaben helfen, Computer, die daheim nicht in genügender Zahl vorhanden sind, zur Verfügung stellen, auf denen sie Bewerbungen schreiben oder Schularbeiten erledigen konnten. In Basel-Stadt war das alles nicht möglich, die Beziehungsarbeit musste unter den freien Himmel verlagert werden. An Feuerschalen, auf Spaziergängen, durch Kälte und Schnee, wurde die Beziehungsarbeit hier geleistet. Dies alles, weil ein Amt die komplexen Realitäten unserer Arbeit nicht anerkennen will, was halt schon ein bisschen traurig ist.

Kalte Schulter für jüngste Kulturschaffende

Gleichzeitig wurde die Jugendkulturarbeit des Badhuesli, die sich an junge und jüngste Kulturschaffende richtet, in den Tiefschlaf versetzt. Dass während der Pandemie keine Konzerte und Workshops stattfinden konnten, war unserem Team vor Ort natürlich klar. Deswegen hatte es ja seinen wichtigsten Jahresanlass, das Pärkli-Jam, frühzeitig und aus freien Stücken, abgesagt. Aber der Umstand, dass die Proberäume im Haus, nach den Lockerungen des zweiten Lockdown, alle geschlossen bleiben müssen, obwohl nur unter strengsten Sicherheitsmassnahmen geprobt würde, obwohl die Proberäume des Vereins «Junge Kultur Basel» nun bespielt werden dürfen, ist schon schwer zu schlucken. Wieder sind es Worte, die hier Mauern bauen, welche heutzutage eigentlich nicht mehr gebaut werden sollten. Hier zeigt man vielen jungen und jüngsten Kulturschaffenden einfach die kalte Schulter. Wegen einem Konflikt um Begrifflichkeiten, der kaum eine Spur der Realität unserer Zeit in sich trägt. Das ist ebenfalls jammerschade.

Kälteresistent und computerkundig

Dem Elan, der Flexibilität, der Standhaftigkeit unserer Mitarbeitenden ist es zu verdanken, dass der Kontakt zu unserer jugendlichen Kundschaft trotz aller Widrigkeiten nicht abgebrochen ist. Die Teams von JuAr Basel sind nämlich genauso kälteresistent wie computerkundig. Unsere Mitarbeitenden haben alle denkbaren digitalen Kanäle genutzt, um den Kontakt und den Austausch, das Vergnügen und die Hilfe lebendig zu halten. Im Jugendzentrum Bachgraben wurde die Barracke, in der das Angebot beheimatet ist, im digitalen Raum nachgebaut, im Chill Out Kleinhüningen wurden allerlei Filme produziert, Talkshows sogar, in denen Jugendliche interessante Menschen interviewen. Im Jugendzentrum Eglisee hat sich das Team, nach mehreren erfolglosen Versuchen, die Jugendlichen digital zu erreichen, auf die populäre Plattform Fortnite begeben, der es eigentlich eher kritisch gegenübersteht, und die Zeit dort höchst produktiv genutzt. Zudem hat es dabei einen virtuellen Raum erkundet, über den Erwachsene in der Regel (zu) wenig wissen – und in diesem Sinne Pionierarbeit geleistet. Wir könnten hier noch unzählige Beispiele anführen, aber dies würde den Rahmen dieses Artikels sprengen.

Reale Projekte in der warmen Phase

Immerhin, in der Lockdown-Pause zwischen Sommer und Herbst konnten auch einige reale Projekte verwirklicht werden, etwa ein fachlich begleiteter Gender-Workshop im Mädona, unserem Treff für Mädchen und junge Frauen, zum hochaktuellen Thema Geschlechterrollen. Das Jugendzentrum Dreirosen organisierte einen Ferienausflug auf eine Alp, für junge Menschen aus Familien, die sich sonst keine Ferien leisten können. Unsere Jugendberatung betreute im letzten Jahr besonders happige Problemfälle. Auch im Moment wird sie von jungen Menschen, die dringend Hilfe benötigen, förmlich überrannt – und es ist beinahe unmöglich, Therapieplätze zu finden. Im Skatepark des PurplePark im Gundeli wurde eine neue Quarter-Ramp gebaut, unter massivem Einsatz der jungen Nutzer*innen. In Kleinhüningen konnten wir unser neues Jugendzentrum Chill-Out mit Pauken und Trompeten eröffnen. Und der Pavillon vor dem Jugendzentrum Eglisee erhielt endlich eine bunte Aussenwand, im Street-Art-Stil, gestaltet von der Künstlergruppe WandArt, in Zusammenarbeit mit Jugendlichen. Das Resultat können Sie auf dem Aufmacherbild dieses Berichts bewundern.

Motivation und Tatendrang unserer Mitarbeitenden

Jawohl, die Motivation und der Tatendrang der Mitarbeitenden von JuAr Basel sind in dieser schwierigen Zeit nicht zu bändigen. Auch nicht durch Diskussionen um Begriffe, Klassifizierungen und Genres, wie sie in Amtsstuben gerne geführt werden. Wir tun das Gute trotzdem, auch wenn das Bessere oft genug verhindert wird. Obwohl uns die Gering- und Unterschätzung unserer Arbeit natürlich verletzt. Aber wir sind es gewohnt, aus wenig viel zu machen. Die Zeit könnte ja – möglicherweise – auf unserer Seite stehen.